Ein Anruf: "Eine Freundin aus Afghanistan, die in Österreich Asyl bekommen hat, möchte Medizin studieren. Aber da gibt es ein großes Problem: Für die Inskription benötigt sie eine Geburtsurkunde, sie hat aber kein Tazkira."
In diesem Fall gibt es eine einfache, aber nicht sehr bekannte Lösung - die Nachbeurkundung
Was das genau ist, wer das nützen kann und in welchen Fällen, das ist im folgenden Artikel beschrieben.
Übrigens: Wenn man kein Konventionsflüchtling ist und es unmöglich ist, Personenstands- oder andere Dokumente beizubringen, dann ist es möglich, einen Antrag auf Heilung eines Verfahrensmangels zu stellen.

Hintergrund

Konventionsflüchtlinge, also Personen mit dem Schutzstatus Asyl, haben in bestimmten Situationen (z.B. bei Heirat, Passausstellung etc.) persönliche Dokumente bei Behörden vorzulegen, die sie oft nicht besitzen. Der Konventionspass alleine ist in vielen Fällen nicht ausreichend.
Grundsätzlich sind Personenstandsurkunden aus dem Herkunftsland auf privatem Wege, das heißt durch Verwandte, Bekannte oder andere Vertrauenspersonen zu beschaffen. Das ist allerdings oft schwer oder gar nicht möglich. In diesem Fall besteht die Möglichkeit der Nachbeurkundung.  

Begriffsdefinition

Der Begriff „Nachbeurkundung“ bezeichnet die nachträgliche behördliche Erstellung von Personenstandsurkunden zu den Personenstandsfällen Geburt, Eheschließung, Begründung einer eingetragenen Partnerschaft und Tod.  Das heißt, eine Heiratsurkunde oder eine Geburtsurkunde u.ä. kann einem Konventionsflüchtling nachträglich in Österreich durch die zuständige Personenstandsbehörde ausgestellt werden. 
Maßgeblich dafür ist § 35 Absatz (2) in Verbindung mit Absatz (5) des Personenstandsgesetzes 2013 (BGBl. I Nr. 16/2013).

Wegweiser

Fallbeispiele zum besseren Verständnis

Ein Beispiel aus NÖ 

Der asylberechtigter Afghane Z.N., der vor knapp zehn Jahren nach Österreich gekommen war, hier die Schule besucht und eine Lehre absolviert hat, möchte um die österreichische Staatsbürgerschaft ansuchen.

Es fehlt ihm jedoch eine Tazkira (afghanische Geburts-und Staatsbürgerschaftsurkunde) in deutscher oder englischer Übersetzung. Somit kann er Geburtsdatum und -ort nicht nachweisen.

Er ist Vollwaise und hat auch keine anderen Verwandten in Afghanistan, die ihm eine Tazkira besorgen könnten. Nach der Machtübernahme der Taliban war auch die afghanische Botschaft in Wien längere Zeit nicht mehr funktionsfähig.                 

Er nimmt mit dem für seinen Wohnort zuständigen Standesamt Kontakt auf und erfährt die weitere Vorgangsweise:

Er muss eine schriftliche Erklärung (per Email) abgeben, dass er in seinem Herkunftsland keine Verwandten hat, die ihm eine Tazkira besorgen könnten und er diese auch über die afghanische Botschaft in Wien nicht bekommen kann. Er muss weiters Scans seines Konventionspasses (Fotoseite) und Meldezettels an das Standesamt senden.

Nach kurzer Zeit erhält er einen Termin, zu dem er seinen Konventionspass und seinen Meldezettel mitbringen muss. Der Beamte legt ihm das bereits ausgefüllte Formular für die Nachbeurkundung vor, das Herr Z.N. auf seine Richtigkeit überprüft und unterschreibt.

Wenige Tage später ist seine Geburtsurkunde abholbereit.

Die Gebühren für die Ausstellung der Geburtsurkunde betragen insgesamt € 9,30               

(Bundesgebühr: € 7,20, Bundesverwaltungsabgabe: € 2,10 )

Zwei Beispiele aus Wien, nach telefonischer Auskunft des Standesamts Zentrum 

# Asylberechtigter Erwachsener benötigt eine Geburtsurkunde:

Scans folgender notwendiger Unterlagen mit kurzem Begleitschreiben müssen an folgende E-Mail-Adresse geschickt werden: nb@ma63.wien.gv.at

Der/die Antragsteller*in erhält ein Formular zugeschickt, das er ausgefüllt und unterschrieben zurücksenden muss. Falls es keine Unklarheiten gibt, wird die Geburtsurkunde per Post zugeschickt. 

# Geburtsurkunde für ein im Ausland geborenes Kind, die Eltern haben Asyl

Situation von Personen mit anderem Aufenthaltsrecht                   


Da eine Nachbeurkundung nur für Asylberechtigte möglich ist, müssen Personen mit subsidiärem Schutzstatus oder anderem Formen des Aufenthaltsrechts Heilungsanträge nach §4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV stellen, wenn unverschuldet nicht möglich ist, das geforderte Dokument beizubringen.

Wegweiser zur Antragstellung einer Nachbeurkundung


In den Bundesländern: das für den jeweiligen Wohnort zuständige Standesamt

In Wien: laut Auskunft der MA 63 – nur Standesamt Zentrum für Nachbeurkundungen 

Auskünfte am Standesamt Zentrum: Tel: 01 400009585 oder 01 400009571, Mail-Adresse: nb@ma63.wien.gv.at

Rechtsgrundlagen als Argumentationshilfe bei Problem mit den Behörden


Personenstandsgesetz / PStG 2013 § 2 Absatz (4) und Absatz (5) bzw. § 35 Absatz (2) in Verbindung mit Absatz (5)



Dank

Unser Dank geht an Gerlinde Buchberger für die Bearbeitung dieses Themas!

aktualisiert am 31.08.2022