PROTOKOLL
(Klaus Hofstätter)
TEILNEHMER:INNEN
PB (FNW Perchtoldsdorf), HK (connect Mödling, Tralalobe), EW (Schwarzau), CSH, MH (Eggenburg)
Moderation: KH (asylkoordination)
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Terminvorschlag für nächstes Austauschtreffen: 11.11.2025, 16 Uhr
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THEMEN
1 Aberkennungsverfahren subs. Schutz (betrifft v.a. Afghanen)
2 Familienbeihilfe
3 Wohnsitzmeldung und Vergebührung ausländischer Dokumente
4 Meldeverpflichtung privatwohnende Vertriebene
5 Anrechnung von Vermögen, PKW und Pensionen auf GVS, Zuverdienstgrenze,
6 Rückforderungen von Geldleistungen bei GVS -Bezug
7 Diverses Positives
Umfrage WU zur Integration von Vertriebenen, neuer Durchgang Heimhilfelehrgang
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ABERKENNUNGSVERFAHREN bei subsidiärem Schutz (insbesondere bei afgh. Geflüchteten)
Zur Erinnerung:
Subsidiärer Schutz ist beim ersten Mail nach einem Jahr, dann alle zwei Jahre zu verlängern. Das war in den letzten Jahren für afghanische Geflüchteten problemlos, insbesondere seit der Machtübernahme der Taliban. In letzter Zeit mehren sich allerdings die Fälle, wo als Ergebnis der Beweisaufnahme vom BFA festgehalten wird, dass der Betroffene in Afghanistan zwar nicht problemlos, aber zumutbar, sein Leben fristen könnte, und man deshalb den sub. Schutz NICHT zu VERLÄNGERN beabsichtige. Dazu kommt eine Liste von Fragen, die innerhalb von 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens zu beantworten sind. Also eine Art Stellungnahme (etwa ob ein Reisedokument, afgh. Pass vorhanden ist, wie die Kontakte zu etwaigen Verwandten in Afghanistan aussehen, Familienleben etc.).
Das bedeutet, dass bei Nicht Antworten jedenfalls eine Aberkennung eingeleitet wird/ werde, die man dann mit einer Beschwerde beeinspruchen muss, die dann beim BVwG verhandelt wird (und der aller Wahrscheinlichkeit nach stattgegeben wird). Also in aller Regel (außer bei grober Straffälligkeit, aber da gibt es sowieso ein Aberkennungsverfahren) wird der Schutz verlängert.
Wozu das alles?
Das BFA hat genügend Kapazitäten, muss sich also beschäftigen, und setzt ein vom BMI gefordertes politisches Signal. (Wir wollen keine Geflüchteten, ihr seid hier nicht auf immer sicher, …. ). Was das mit den Betroffenen macht, interessiert dort niemand.
GEFÄHRLICH ist, dass
den Betroffenen oft nicht klar ist, dass sie unbedingt reagieren müssen!
Im Text des BFA Schreibens wird auch darauf verwiesen, dass der Betroffene ggfalls auch einen Daueraufenthalt EU beantragen kann. Ja, kann er sowieso jederzeit, aber dazu muss er die Voraussetzungen erfüllten (vor allem: Integrationsvereinbarung Modul 2 = B1 mit Integrationsmodul, genügend Nettoverdienst in den letzten Monaten, min. 1300 netto, nur als Anhaltspunkt), min. 5 Jahre Aufenthalt in Ö, … also nicht so easy zu haben).
Wir hatten Fälle, wo die Jungs nur das gelesen haben, und sich zurückgelehnt haben, auch weil der Rest nicht so einfach zu verstehen ist …
Hier ein solches BFA-Schreiben.
Wie reagieren:
UNBEDINGT SOFORT EINE BERATUNGSSTELLE (Diakonie, caritas, …) AUFSUCHEN!
Wenn wenig Zeit: formlosen Antrag auf Fristerstreckung stellen, per Mail oder Brief an Absender des Schreibens.
Den Fragenkatalog beantworten, eine Stellungnahme zur persönlichen Situation in Ö und in Afghanistan schreiben.
Fristgerecht abschicken an BFA Stelle, die das Schreiben geschickt hat.
Wenn bereits Aberkennungsbescheid erhalten:
ACHTUNG: Beschwerde fristgerecht einbringen, und wenn es nur eine MiniBeschwerde ist, weil man die Zeit übersehen hat, man kann die Beschwerde ergänzen.
BERATUNGSSTELLE, BBU AUFSUCHEN, mit deren Hilfe die Beschwerde einbringen.
WICHTIGE INFO
Der subsidiäre Schutz ist bis zur rechtskräftigen Aberkennung aufrecht ! (rk Aberkennung: das ist erst nach negativem Erkenntnis des BVwGs, wenn Beschwerde eingebracht wurde, der Fall)
dh Alle Rechte wie freier Zugang zum Arbeitsmarkt etc bleiben aufrecht!!! (muss man bei manchen Arbeitgeber:innen betonen)
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AB HIER GEHT ES UM VERTRIEBENE, ie UKRAINER:INNEN
#2
FAMILIENBEIHILFE FÜR VERTRIEBENE
Die gesetzliche Regelung läuft mit 31. Oktober aus, der zufolge alle Vertriebenen mit Kindern ein Anrecht auf Familienbeihilfe haben.
Anwendungsbereich: Personen mit Vertriebenenstatus, betrifft nicht Ukrainer:innen mit RWR Card.
Aktuell sieht es nach einer Einigung aus, der zufolge der Bezug von Familienbeihilfe an die AMS Meldung (man meldet sich arbeitssuchend) bzw. an Erwerbstätigkeit gebunden sein soll. Allerdings ist diese Einigung noch nicht fix, also bleibt es spannend.
Worst case Szenario: es gibt keine Einigung, dann läuft die aktuelle Regelung aus und Personen mit Vertriebenenstatus (egal ob erwerbstätig, AMS gemeldet oder nicht) bekommen keine Familienbeihilfe mehr.
Aber es sieht eher nach Einigung aus, s.o.
# 3
WOHNSITZMELDUNG (Meldezettel) und Vergebührung ausländischer Dokumente:
Jede in Österreich aufhältige Person muss sich innerhalb von drei Tagen polizeilich melden.
Personen mit ausländischen Reisepässen müssen für die Wohnsitzmeldung (nun) eine Vergebührung (pro Person mit Reisepass €42,-) bezahlen.
Dies ist grundsätzlich nur einmal zu entrichten, aber es ist dennoch viel Geld für eine Person oder eine Familie mit wenig oder geringem Einkommen.
Es sind wahrscheinlich vorrangig ‚nur‘ Vertriebene betroffen, da Asylwerber:innen keinen Reisepass (mehr) bei sich haben. Grundsätzlich gilt die Regelung für alle ausländischen Staatsangehörige, zb. auch Deutsche.
ABER: Der Ausweis für Vertriebene sollte reichen, um ein Meldezettel machen zu können (sodass kein ukrainischer Pass und damit auch keine Vergebührung nötig wird).
#4
MELDEPFLICHT für privat wohnende Vertriebene (Ukrainer:innen)
als Voraussetzung für den Bezug der Grundversorgung (GVS)
In NÖ müssen privat wohnende Vertriebene, die GVS beziehen, verpflichtend einmal im Monat bei der zuständigen BH vorstellig werden. Die Modalitäten hängen von der jeweiligen BH ab, bei der sich die Personen melden müssen: mit blauer Karte, Reisepass, in welchem Zeitraum. …
bei eingeschränkter Mobilität oder anderen Einschränkungen muss man sich das Procedere mit der BH ausmachen. (also ob man vorstellig werden muss, oder was man ersatzweise machen kann).
#5
ANRECHNUNG von VERMÖGEN, PENSIONEN oder PKW auf die Grundversorgung
## PENSIONEN, VERMÖGEN
Werden unmittelbar angerechnet, wie auch sonstiges Vermögen, also keine Zuverdienstgrenze.
Wenn man angibt, man bekommt eine Pension, auch wenn die nur sehr gering ist: dann stellt die IVW die GVS gleich ein, bis die Prüfung abgeschlossen ist, das kann einige Zeit dauern, wo man ohne Geld da steht. Ehrlichkeit lohnt sich eher nicht.
Der Besitz eines PKW ist in der Sozialhilfe ein Ausschlussgrund, in der Grundversorgung ist der Umgang bundesländerspezifisch unterschiedlich, in der Zwischenzeit allerdings durchgängig strikt:
Es gibt eine Hilfsbedürftigkeitsprüfung, sobald ein PKW gemeldet wird. In NÖ gab es bspw. vom Land Kontrollen, alle Autos mit ukrainischen Kennzeichen vor einem Quartier wurden überprüft und nachgeforscht. In der Regel wird der Zulassungsbesitzer dann aus der GVS entlassen, und dann weitergeschaut. Ggfalls wird das Auto dann verkauft, (kein Fantasiepreis, es braucht ein Gutachten bspw. vom ÖAMTC o.a., der Kaufpreis als Vermögen auf die GVS angerechnet, ggfalls rückwirkend abgezogen, ….) meist auf jemand von außerhalb umgemeldet, dann kann die Person wieder um Aufnahme in die GVS ansuchen. Alles sehr aufwändig, also besser das Auto etwas entfernt parken oder gleich ummelden auf eine in der Ukraine ansässige Person.
## Zuverdienstgrenze
Es gibt in der Grundversorgung eine Zuverdienstgrenze von €110.- pro Monat für eine Einzelperson, sowie zusätzlich €80 für jede unterhaltsberechtigte Person in der Kernfamilie. Der darüber hinausgehende Betrag wird von der Grundversorgung abgezogen.
//Bei Vertriebenen wird zusätzlich eine 65:35 Aufteilung vorgenommen. Das bedeutet, dass der Zuverdienst über dem Freibetrag nur zu 65% auf die Grundversorgung angerechnet wird. //
NÖ führt das NICHT durch, hier wird das gesamte Einkommen über der Zuverdienstgrenze angerechnet.
AMS Beihilfen, wie DLU bei Kursbesuchen, wird ohne Freibetrag auf die GVS angerechnet.
Ebenso Arbeitslosengeld, Kinderbetreuungsgeld - keine Freibetrag!
Pflegegeld: Vertriebene haben Anspruch auf Pflegegeld. Pflegegeld wird nicht als anrechenbares Einkommen gewertet. (bisher noch nicht).
## GVS und Zeiten ohne Arbeitseinkommen
Wenn jemand gearbeitet hat und dann bspw im Sommer nicht arbeitet (und auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat), wird ihm in dieser Zeit die GVS im Normalfall nicht gewährt. Die Behörde geht davon aus, dass die Person eh alles, was über den GVS Satz verdient wurde, angespart hat und so soll dieses Ersparte nun aufgebraucht werden. Dagegen kann man argumentieren, mit Ausgaben in der Ukraine, mit Sonderausgaben, … dann kann man ggfalls doch GVS beziehen. Sonst ist man nur krankenversichert, ohne Bezug.
## RWR-Card für Vertriebene
Der Papamonat wird nicht als Arbeitszeit für die RWR-Card angerechnet!
#6
RÜCKFORDERUNGEN VON GRUNDVERSORGUNGSGELD
weil Geldleistungen nun angerechnet werden (auch rückwirkend)
NÖ prüft gerade, ob das NÖ Grundversorgungsgesetz es ermöglicht, alle Geldleistungen an Vertriebene (ua. Familienbeihilfe, Klimabonus, Heizkostenzuschuss, also wirklich alles) auf die GVS – auch rückwirkend – anzurechnen.
Das bedeutet, dass diese Leistungen zusammengerechnet werden und dann den GVS Bezieher:innen 100 Euro pro Monat von der GVS abgezogen wird. Und wohl bei Verlassen der GVS dann die gesamte Restsumme in Rechnung gestellt wird, man dann um Ratenzahlung ansuchen muss und und und.
Die rechtliche Prüfung wird nun wohl nachträglich gemacht, nachdem die BH Amstetten begonnen hat, solche Rückforderungen auszuschicken und es seitens Ehrenamtlicher zu Protesten kam (Danke, Christian!) und bspw. die Grünen NÖ das Thema öffentlich gemacht haben.
Hier ein Beispiel für so ein Rückforderungsschreiben der BH Amstetten. Inzwischen wurden diese Rückforderungen einstweilen eingestellt, aber eben ohne jede Begründung.
Es dürfte rechtlich eher nicht halten, aber was weiß man. Rechtsunsicherheit rules, Widerstand ist immer angesagt! – offensichtlich geht es darum, die Menschen zu verunsichern und zum Gehen zu bewegen.
Hier einiges zum Nachlesen und Nachschauen:
Berichterstattung dazu
Der Anfang dazu: PULS24
https://www.puls24.at/news/politik/rueckzahlungsforderungen-fuer-ukrainer-in-niederoesterreich/433224
Willkommen Mensch in Amstetten in der NÖN
https://www.noen.at/amstetten/brief-an-vertriebene-leben-nicht-mehr-finanzierbar-kritik-an-rueckforderungen-486834084
Proteste der Grünen:
https://noe.orf.at/stories/3320978
bzw. https://youtu.be/J7xbGMDrPEA?si=Et_5nTB6Tarux-7M
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Bei so viel Zores und Schikanen verblasst ja alles Positive:
Hier ein wenig von dem, was neben dem Bemühen vieler solidarischer Menschen an Integrativem zu sehen ist:
UkrAIA Studie - WU Wien
Informationen von Dani Krois (allerdings schon vom Juli 2025)
Es gibt aktuell eine Umfrage der WU Wien zu Ukrainer:innen in Österreich, die unter der Projektleitung von Judith Kohlenberger durchgeführt wird.
https://www.ukraia.at/
Bitte die Infos zur Umfrage an Interessierte bzw. potentielle Teilnehmer:innen. Für all jene, die die Umfrage teilen möchten, wird gebeten, sich an Hr. Bernhard Rengs - Bernhard.Rengs@oeaw.ac.at, zu wenden, der sodann den Umfrage-Link zuschicken wird.
Es sind diese Umfragen, die helfen, ein detailliertes Bild von der Lage der Ukrainer:innen zu bekommen, um Unterstützungsmaßnahmen entsprechend anzupassen. Insofern sehr sinnvoll, wenn möglichst viele daran teilnehmen. Vielen Dank!
Und:
Veronika berichtet:
dass der Heimhilfelehrgang für Ukrainer:innen sehr erfolgreich war, hohe Vermittlungsquote.
ein weiterer Durchgang ist für Jänner 2026 angedacht, Verständigung folgt sobald fixiert.
Voraussetzung: B1
Wie überhaupt von tralalobe das Modell zweisprachiger Berufsausbildung (also muttersprachliche BegleitLehrer:innen) ausgebaut werden soll, etwa arabischsprachige Ausbildung für Kindergartenassistent:innen
Patricia erzählt davon, dass es großes Interesse für Kiga Assistent:innen gibt, aber die Sprachkenntnisse eine hohe Hürde darstellen. Bzw. der Einstieg dadurch auch dann erschwert wird, wenn andere spezifische Kenntnisse eine Person qualifizieren würden, wie etwa Musik- oder tanzpädagogische Kompetenzen. Hier müsste man die Ansprüche runterschrauben.
Seitens der Eltern kommt bei geringen Sprachkenntnissen oft Ablehnung, man müsste da jedenfalls das Gespräch suchen und auf die Spezialkenntnisse verweisen.
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nächstes Austauschtreffen: 11.11.2025, 16 Uhr
davor bitte um Mail, wenn dringende Fragen anstehen.
Alles Gute!